Rezension zu „Die Übersetzerin“ von Jenny Lecoat

Inhalt (Klappentext)

Jersey, 1940. Als die junge Hedy erfährt, dass im Lager der Deutschen eine Übersetzerin gesucht wird, ist das ihre letzte Chance. Seit Wochen hat sie kaum etwas gegessen, und eine andere Arbeit wird sie auf der von Nazis besetzten Insel nicht finden. Denn Hedy ist Jüdin - was im Lager niemand weiß. Während sie nun alles daransetzt, unentdeckt zu bleiben, verliebt sie sich ausgerechnet in einen Wehrmachtssoldaten. Doch sosehr sie sich zu Kurt hingezogen fühlt, weiß sie auch: Diese Liebe könnte für sie beide tödlich enden. Als Hedys Deckung schließlich auffliegt, bleiben dem Paar nur wenige Stunden, um ein Versteck für Hedy zu finden. Gemeinsam mit einer mutigen Freundin fassen sie einen ungeheuerlichen Plan …

Meine Meinung 

Schon als ich das Buch erstmals in der Programmvorschau des Lübbe Verlags entdeckt habe, hat mich der Klappentext sehr neugierig gemacht und ich wollte gerne mehr über die Geschichte erfahren. Eigentlich gehören historische Romane nicht zu den Genres, die ich häufiger lese, aber irgendwie hatte ich dann doch Lust mal wieder etwas anderes zu lesen.

Als ich das Buch bei der Bloggerjury angefragt habe, wusste ich noch nicht, dass das Buch tatsächlich auf einer wahren Geschichte beruht. Das ganze spielt sich auf den Kanalinseln, genauer gesagt auf Jersey, ab. Die Autorin, Jenny Lecoat, wurde 15 Jahre nach Ende der Besatzung der Kanalinseln durch die Nazis auf Jersey geboren und so sagt sie selbst, ihr sei die Geschichte der Inseln immer sehr präsent gewesen.

Die Geschichte beginnt wie der Klappentext schon sagt im Jahre 1940 und endet erst nach der Besatzung 1946. Die Autorin deckt hier also sechs Jahre auf nur knapp 300 Seiten ab und anfangs war ich ehrlich gesagt skeptisch, wie sie das authentisch und ohne große Lücken schaffen sollte. Und doch ist es ihr letztlich gut gelungen. 
Zugegebenermaßen ging es mir anfangs noch etwas schnell. Wir werden in das Geschehen des Sommers 1940 hineingeworfen und erleben Hedys Angst vor der unvermeidlichen Besatzung der Kanalinseln. Hedy ist aus Österreich geflohen, denn als Jüdin war sie in Wien nicht mehr sicher. Sie dachte, sie wäre es in Jersey, aber nun muss sie abermals um ihre Sicherheit bangen. 
Schon zum zweiten Kapitel hin gibt es dann einen Zeitsprung ins Jahr 1941 und wir erleben Hedys beginnenden Überlebenskampf mit. Der Antisemitismus des Nazi-Regimes und die Einschränkungen für Juden nehmen bereits Form an und unsere Protagonistin hat Probleme sich ohne eine Arbeit über Wasser zu halten - besonders nachdem sie offiziell als Jüdin klassifiziert wurde.
Als Dorothea, die neue Freundin ihres einzigen Freundes Anton, ihr schließlich von einer Stelle als Übersetzerin für die Nazis erzählt, schlägt sie diese Option erstmal aus - aber letztlich ist es doch ihre einzige Chance… 

Bei ihrer neuen Stelle als Übersetzerin lernt sie dann den Wehrmachtsoffizier Kurt kennen, der wohl ein Auge auf sie geworfen hat. Er weiß allerdings nicht, dass sie Jüdin ist und so glaubt Hedy, dass er wie alle anderen Nazis ist. Aber schon bald merkt sie, dass er ebenso wenig von der Ideologie der Nationalsozialisten hält wie sie selbst und es nie seine freie Entscheidung war, sich der Wehrmacht anzuschließen.
Die Liebesgeschichte spielt eine größere Rolle in der Geschichte als ich zuvor erwartet hatte. Zwar wird aus dem Klappentext schon klar, dass es eine geben wird und sie besonders am Ende noch eine zentrale Rolle spielen wird, aber es ging schon sehr schnell los und die Beziehung entwickelte sich in einem relativ schnellen Tempo, nachdem sie sich einmal kennengelernt hatten. Deshalb habe ich auch erst noch ein wenig gebraucht, um mit den beiden als Paar warm zu werden, aber letztlich habe ich sie doch ins Herz geschlossen.

Was ich sehr gerne mochte, ist, dass die Autorin hier mehrere Seiten aufgezeigt hat. Einmal haben wir Hedy und die Kanalinsulaner, die hilflos mitansehen mussten, wie ihr Zuhause besetzt wurde und ihnen sogar das notwendigste zum Leben verweigert wurde. Und dann gibt es die Nazis, die genau dafür verantwortlich sind. 
Obwohl nun alles ganz klar wirkt, hat Jenny Lecoat hier ganz deutlich gemacht, dass dies weder für alle Insulaner noch für alle Wehrmachtssoldaten galt. Da gab es zum Beispiel die Insulaner, die sogar ihre Nächsten verraten würden und etwas zu engagiert den Nazis geholfen haben bzw. ihren Anweisungen nachgegangen sind. Ebenso gab es Leute bei der Wehrmacht, die ganz und gar nicht einverstanden waren mit den ganzen Maßnahmen des Regimes und Hitlers Visionen.
Wieso diese dennoch Folge leisten mussten, zeigt uns Kurts Geschichte zu gut. Ursprünglich wurde er gar nicht zum Soldaten ausgebildet sondern zum Ingenieur in einer Schiffswerft - bis das Regime sie zwang stattdessen Panzer zu warten. 
Und obwohl die Autorin auch diese anderen Einstellungen der Menschen zeigt, wird genauso gut deutlich, wie verbittert manche Nazis die Ideologien verteidigten und Juden am liebsten tot sehen wollten.

Auch der harte Kampf ums Überleben wurde sehr authentisch beschrieben. Die Geschichte wird zunehmend trister, grauer und beinahe schon hoffnungslos. Man kann gar nicht anders als Mitleid und gleichzeitig Bewunderung für die Menschen zu empfinden. Die Geschichte geht einem sehr Nahe und auch wenn es zentral um Hedy und Kurt geht, verfolgen wir als Leser die Schicksale vieler Menschen, die auf verschiedensten Seiten stehen.

Fazit

Obwohl sich die Liebesgeschichte für meinen Geschmack teilweise etwas schnell entwickelt hat, konnte mich die Geschichte insgesamt von sich überzeugen und bin froh, dass mich der Klappentext auf das Buch aufmerksam gemacht hat. Ich glaube, dass die Geschichte auch für die Leute geeignet ist, die für gewöhnlich eher weniger oder noch keine historischen Romane gelesen haben. Das Buch ist nicht zu anspruchsvoll und der historische Kontext wurde von der Autorin sehr gut erklärt, ohne zu ausschweifend zu sein.

Bewertung

4/5☆


Vielen Dank an den Lübbe Verlag, der mir das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.♡

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